© Stephen Sharnoff | Protoparmelia badia/strong>

PARTNERWAHL BEI FLECHTEN – WARMES KLIMA MACHT WÄHLERISCH

(Frankfurt/M.). Senckenberg-Forschende haben am Beispiel der Flechtengattung Protoparmelia die Zusammensetzung und Evolution der einzelnen Arten von der Arktis bis in die Tropen molekulargenetisch untersucht. Sie fanden heraus, dass das Klima bei dieser Symbiose aus Pilz und Alge wesentlich mitbestimmt, wer mit wem zusammenkommt. Unter anderem sind die flechtenbildenden Pilz- und Algenarten in den Tropen spezialisierter; eine Beobachtung die auch bereits bei anderen Organismengruppen gemacht wurde. Die Ergebnisse der im Fachjournal „New Phytologist“ veröffentlichten Studie tragen zum Verständnis bei, wie das Klima die Interaktion von Organismen beeinflusst und zu Veränderungen in Ökosystemen führen kann.

Die Flechtengattung Protoparmelia ist wahrlich kein glamouröser Vertreter der Flechtensymbiose. Die zwanzig bis dreißig Arten, die zur Gattung gehören, präsentieren sich als kleine, unscheinbare, braune oder schwarze Krusten auf Gestein oder Baumrinde. Umso bemerkenswerter sind da schon die inneren Werte der Lebensgemeinschaft aus Pilz und Alge, denn wenn es um die Anpassung an extreme Umweltbedingungen geht, macht ihnen keiner so schnell etwas vor. Manche Arten kommen nur in arktisch-alpinen Gebieten vor, ihre Verwandten sind – gegensätzlicher könnte es wohl nicht sein – in den Tropen zuhause. „Protoparmelia ist daher ein idealer Modellorganismus, um zu studieren, wie sich Lebensgemeinschaften von nahverwandten Arten in unterschiedlichen Klimata entwickeln“, so Prof. Imke Schmitt, Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum.

Gemeinsam mit ihrem Team hat sie anhand des Erbguts analysiert, aus welchem Pilz und welcher Alge die einzelnen Flechtenarten der Gattung Protoparmelia bestehen. Sie entdeckten, dass die Flechtensymbiose in kälteren Umgebungen promiskutiv ist, d.h. eine Algenart verbandelt sich hier gleich mit mehreren Pilzpartnern. In tropischen und subtropischen Gebieten ist man dagegen wählerischer – die vorkommenden Flechtenarten bestehen meist nur aus einer spezifischen Pilzart und einer spezifischen Algenart. Garima Singh, Doktorandin und Erstautorin der Studie, dazu: „Dieses klimatisch bedingte Muster kennt man bereits von anderen Zweckgemeinschaften, wie Parasit-Wirt- und Pflanze-Bestäuber-Beziehungen. Wir haben es erstmals für die Flechtensymbiose nachgewiesen.“

Nachdem bekannt war, wer wo mit wem zusammenlebt, rekonstruierte das Team die bisherige Evolution der jeweiligen Lebensgemeinschaft. Es zeigte sich, dass das Klima mitverantwortlich war für die Häufigkeit bestimmter Evolutionsvorgänge. „In kälteren Regionen spalteten sich die Pilzarten auf, aber die Algenarten folgten dieser Aufspaltung nicht und blieben wie sie sind. Folglich sehen wir heute verschiedene Pilzarten verbandelt mit derselben Algenart. In wärmeren Regionen waren Partnerwechsel die treibende Kraft der Evolution, das heißt der Algensymbiont wechselte zu einer anderen Pilzart und wurde in der urprünglichen Art durch eine neue Algenart ersetzt. Diese Erkenntnisse zeigen, dass unter anderem Umweltfaktoren wie das Klima eine dominante Rolle bei der Evolution dieser Lebensgemeinschaft spielen,“ erklärt Singh.

„Die Ergebnisse unserer Studie lassen uns besser einschätzen, wie Organismen, die in enger Symbiose leben, den Klimawandel überstehen können. Eine Möglichkeit ist beispielsweise dass durch einen Austausch des Symbiosepartners eine bessere Anpassung an die Umwelt gegeben ist. Gleichzeitig sind Flechten ein „Mini-Ökosystem“ und  liefern uns Anhaltspunkte, um vorherzusagen, wie sich auch kompliziertere Ökosysteme im Zuge des globalen Wandels entwickeln könnten,“ gibt Schmitt einen Ausblick.

Quelle:   Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
Photo:   © Stephen Sharnoff

 


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