NABU: Zwischenergebnisse zur „Stunde der Wintervögel“
Berlin (NABU). Bei der sechsten bundesweiten „Stunde der Wintervögel“ sind bis zum heutigen Dienstag Meldungen von mehr als 60.000 Vogelfreundinnen und Vogelfreunden aus über 40.000 Gärten eingegangen. Damit haben schon jetzt mehr Menschen teilgenommen als im vergangenen Jahr.
Die große Überraschung des Jahres steht bislang auf Platz neun der häufigsten Arten: Der Erlenzeisig ist der Shootingstar des Winters. Im Vergleich zum Vorjahr (damals Platz 22) wurde der kleine gelbgrüne Finkenvogel viermal mehr gemeldet – und doppelt so viele wie im bisherigen Rekordjahr 2011 erschienen an den Zählplätzen. Nach derzeitiger Datenlage konnte die Art deutschlandweit fast in jedem fünften Garten entdeckt werden, bei durchschnittlich 1,2 Vögeln pro Garten.
„Grund für diese Zahlen ist eine so genannte Invasion aus dem Norden. Sie tritt ein, wenn die Zeisige in Skandinavien im Sommer besonders viele Junge aufgezogen haben, für die das Futterangebot dort im Winter nicht ausreicht“, erläutert Lars Lachmann, NABU-Vogelexperte. Bereits ab Juli 2015 hatten Ornithologen verstärkten Zuzug von Erlenzeisigen aus dem Norden beobachtet. Das bestätigen jetzt auch die ersten Ergebnisse der Stunde der Wintervögel. Andere typische Wintergäste wie Bergfinken oder Seidenschwänze, die in manchen Jahren sehr zahlreich auftreten können, machten sich dagegen rar.
Auf den ersten acht Plätzen der häufigsten Wintervögel haben sich die üblichen Verdächtigen eingestellt: Die bisherige Reihenfolge mit dem Spitzenreiter Haussperling, gefolgt von Kohlmeise, Blaumeise, Feldsperling, Amsel, Grünfink, Buchfink und Elster entspricht genau dem Durchschnitt aller Jahre. Nur in kalten Wintern mit viel Zuzug von Verwandten aus dem Norden und Osten scheint die Kohlmeise den sehr sesshaften Haussperling von Platz 1 verdrängen zu können – so geschehen zuletzt im Jahr 2013. Nur in einer anderen Wertung wird der Haussperling regelmäßig von der Kohlmeise geschlagen: Während diese in fast 95 Prozent aller Gärten gesehen wird und damit der am zuverlässigsten zu findende Wintervogel ist, sind es beim Haussperling nur 58 Prozent. An den Orten, wo er gesichtet wird, taucht er aber meist als größerer Trupp auf.
Die für Ornithologen und Naturschützer wichtigsten Ergebnisse der Zählung sind jedoch Hinweise auf langfristige Zu- oder Abnahmen bestimmter Vogelarten. „Über Zunahmen freuen wir uns, bei Abnahmen müssen wir möglichst schnell die Ursachen bestimmen, um gegensteuern zu können“, so Lachmann. Hier bereitet vor allem der Grünfink Sorgen: Seit der ersten Durchführung der Aktion werden von Jahr zu Jahr weniger von diesen für den menschlichen Siedlungsraum typischen Finkenvögeln gesehen. Mit 1,8 Vögeln pro Garten sind es in diesem Jahr nur noch etwas mehr als halb so viele wie 2011. Als Grund vermuten die Vogelschützer vor allem das in den letzten Jahren vermehrt auftretende „Grünfinkensterben“, hervorgerufen durch eine Infektion mit dem parasitären Einzeller Trichomonas gallinae, der besonders an sommerlichen Futterstellen übertragen wird, an denen viele Vögel zusammenkommen.
Der jüngste Kälteeinbruch im Norden Deutschlands führte außerdem zu einer kleinen Kuriosität: Viele Kraniche, die bis dahin versucht hatten, in Deutschland zu überwintern, machten sich mitten im Winter doch noch auf den Weg in den warmen Südwesten und wurden dabei, obwohl keinesfalls typische Gartenvögel, über vielen Gärten ziehend beobachtet. Auf der Deutschlandkarte der Wintervögel bilden sich daher ganz deutlich die beiden Hauptflugrouten der Kraniche ab, nämlich von der Ostsee über das Ruhrgebiet und von Berlin bis ins Saarland.
Beobachtungen können online (www.stundederwintervoegel.de) oder per Post (NABU, Stunde der Wintervögel, 10469 Berlin) bis zum 18. Januar gemeldet werden.
Quelle: NABU / Berlin
Photo: © MMB/Below