INDIAN SUMMER IM RUHRGEBIET – DIE ZEICHEN STEHEN AUF HERBST
(Gelsenkirchen). Viele Wälder im Ruhrgebiet zeigen sich schon seit September in bunten Farben. „Viel zu früh“, meinen viele Naturliebhaber und denken schon mit Wehmut an das Ende des Sommers. Aber auch in ganz Nordrhein-Westfalen häufen sich die Beobachtungen von aufmerksamen Wanderern und Spaziergängern: „der Wald verfärbt sich äußerst schnell; manche Bäume wurden innerhalb weniger Tage dunkelbraun“, lauten die Meldungen, die Reinhart Hassel, Leiter des Regionalforstamtes Ruhrgebiet von Wald und Holz NRW, zu hören bekommt.
Ursache ist vor allem die Trockenheit im August
„Die Ursache ist vor allem die anhaltende Trockenheit im August und zum Teil auch jetzt im September. Sie stresst insbesondere die Laubbäume so sehr, dass sie schon jetzt die ersten Blätter abwerfen“, so Hassel. Schlimm sei das allerdings nicht. Der Wald bereite sich auf den Winter vor. „Auffällig ist aber, dass der Farbwechsel der Blätter dieses Jahr sehr plötzlich begonnen hat. Der Wald hat angesichts des regenarmen Wetters seine Wasserreserven aufgebraucht“, erklärt Hassel. „Im Juli war noch relativ viel Feuchtigkeit im Boden, aber seit einigen Wochen ist es richtig trocken geworden.“
Ungewöhnlich ist auch, dass ausgerechnet die Buche als erste Baumart auf Herbstverfärbung schaltet. Zuerst kündigen eigentlich Birken, Ahorne und Eschen den Herbst an. Deren Blätter sind aber noch weitgehend grün. Die Buche ist im Normalfall eher ein Nachzügler: Sie verliert ihre Blätter oft erst beim letzten Frost im November.
Der Waldschutzexperte von Wald und Holz NRW, Dr. Mathias Niesar, hat für das Phänomen eine einleuchtende Erklärung: „Viele Buchen haben in diesem Jahr darüber hinaus ein sogenanntes Mastjahr. Das bedeutet, dass sie in diesem Jahr besonders viele Samen, die Bucheckern, produzieren. Es ist völlig normal, dass viele Baumarten nur im Abstand von mehreren Jahren große Samenmengen produzieren.“ So eine Vollmast, wie der Förster sagt, bedeutet für einen Baum aber auch Stress. Wenn dazu Trockenheit als weiterer Stressfaktor kommt, entscheidet sich der Baum, alle verfügbare Energie in den Nachwuchs zu stecken.
Dr. Mathias Niesar: „Die Bäume priorisieren augenscheinlich die Samenversorgung und ziehen dazu aus den Blättern Nährstoffe ab.“ Dadurch werden die Blätter braun. In einigen Bereichen kann man dieses Phänomen auch beim Ahorn beobachten.
In Teilen des Ruhrgebiets kommt das Phänomen hinzu, dass viele Hainbuchen schon fast ihr komplettes Blätterkleid verloren haben und nur noch die Samen an den Zweigen hängen.
Ein weiteres Phänomen bzw. ein weiterer Stressfaktor konnte bei vielen Buchen beobachtet werden: im Labor von Dr. Mathias Niesar wurde auf der Blattunterseite ein Befall mit Gallmilben festgestellt. Als Symptome sind rund 8 mm große, braun schwarze Flecken zu sehen. Dazu kommt häufig die für einen Pilzbefall typische Verfärbung der Blätter. Es ist davon auszugehen, dass die feuchte Frühjahrsituation günstig für Buchenblattpilze war. Dr. Mathias Niesar: „Die Kombination aus Pilz-, Gallmilbenbefall und den sehr heißen August- und Septembertagen ab dem 25.08.2016 bewirkten dann einen sehr schnellen Alterungsprozess der Blätter.“
Birken, welche eigentlich sehr schnell auf Hitzewellen mit Blattfall reagieren, sind erstaunlicherweise noch recht gut erlaubt. Und auch Eichen haben überwiegend noch ihre für die Jahreszeit typischen saftig grünen Blattfärbungen.
„Seit Mitte August ist bei uns kaum mehr Regen gefallen. Und der wenige Regen ist auch sofort wieder verdunstet,“ hat Reinhart Hassel beobachtet, denn gerade auf den trockenen Sandböden des nördlichen Ruhrgebiets versickert der Regen so schnell, dass er kaum von den Baumwurzeln genutzt werden kann.
„Auch wenn viele Menschen die wunderschönen Spätsommertage so lieben: die Natur dürstet nach Feuchtigkeit und die Bäume reagieren entsprechend.“
Langfristige Schäden werden unsere Wälder durch die Wetter Kapriolen allerdings nicht davon tragen, denn „unsere Wälder sind sehr stabile natürliche Ökosysteme, die ein – die Betonung liegt aber auf „ein“ – ungewöhnlicher Sommer nicht aus der Bahn wirft“, so Reinhart Hassel weiter.
Zu Beginn des Sommers überraschten gewaltige Regenmengen und mäßige Temperaturen. Erst am Ende des Sommers wurde es hochsommerlich heiß und trocken. Für den Wald haben diese Verschiebungen große Bedeutung. Bei der meteorologischen Durchschnittsbetrachtung fallen sie aber gar nicht auf.
Betrachtet man die statistischen Mittelwerte, dann war das Wetter in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr eher durchschnittlich. (In Klammern stehen jeweils die vieljährigen Mittelwerte der internationalen Referenzperiode):
Der Sommer war mit 17,7 °C sogar etwas wärmer (16,3 °C), und mit 245 l/m² (240 l/m²) kaum nasser als üblich. Als sonnenscheinärmstes Bundesland kam NRW auf nur rund 545 Stunden (554 Stunden). Ungewöhnlich waren jedoch Temperaturverlauf und Zeitpunkte der Niederschläge. Wiederholt kam es zu örtlich begrenzten schweren Gewitter, die auch im Ruhrgebiet zu größeren Problemen geführt haben.
Der NRW-Sommer entsprach in den Durchschnittswerten bisher weitgehend dem bundesweiten Trend
Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) lag die Temperatur im Sommer mit 17,8 °C um 1,5 °C über dem Mittel der internationalen Referenzperiode 1961-1990 von 16,3 °C. Schwül-warme Luft, vor allem im Juni und in der letzten Juli-Dekade, bestimmte im Sommer 2016 häufig das Wettergeschehen. Die Regenmenge verfehlte mit rund 230 l/Quadratmetern das Soll von 239 l je m² in Deutschland nur knapp.
Völlig gegensätzlich verliefen Beginn und Ende des Sommers. Anfang Juni fielen bei heftigen Gewittern gebietsweise katastrophale Regenmengen. Im letzten August-Drittel herrschte dagegen bei anhaltend anhaltendem Sonnenschein und teils großer Hitze verbreitet so trockenes Wetter, dass der DWD-Gefahrenindex für Waldbrände in mehreren Bundesländern auf die höchste Stufe kletterte. Von größeren Waldbränden blieb aber das Ruhrgebiet glücklicherweise verschont.
Quelle: Wald und Holz NRW / Statistische Daten und deren Interpretation = DWD/Presse
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