DIE GEWÖHNLICHE ROSSKASTANIE
(Wikipedia). Die Gewöhnliche Rosskastanie (Aesculus hippocastanum), auch Gemeine Rosskastanie oder Weiße Rosskastanie genannt, ist eine auf dem Balkan heimische, in Mitteleuropa verbreitet angepflanzte Art der Gattung Rosskastanien (Aesculus).
Die Rosskastanien (Aesculus) gehören zur Familie der Seifenbaumgewächse und sind nicht mit den Kastanien verwandt, der gleiche Name beruht auf der oberflächlichen Ähnlichkeit ihrer Früchte mit dem Fruchtstand der Kastanien (brauner Kern in stacheliger Hülle).
In Deutschland wurde die Gewöhnliche Rosskastanie zum Baum des Jahres 2005 gewählt. Ein wichtiger Grund für diese Entscheidung war die Gefährdung der Baumart durch die Rosskastanienminiermotte. Durch eine erhöhte Aufmerksamkeit für dieses Problem erhofft man sich schnellere Forschungserfolge für die Rettung der Bäume.
Der Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Würzburg kürte die Gewöhnliche Rosskastanie zur Arzneipflanze des Jahres 2008.
BESCHREIBUNG
Die Gewöhnliche Rosskastanie ist ein sommergrüner Baum, der Wuchshöhen von bis zu 30 m erreicht. Sie kann ein Alter von bis zu 300 Jahren erreichen. Der Baum ist in der Jugend raschwüchsig und bildet einen kurzen, vollholzigen Stamm mit runder und breiter Krone aus. Alte Bäume erreichen Stammdicken bis zu einem Meter. Der Stamm ist immer nach rechts drehwüchsig und von einem gelblichweißen, kernlosen Holz. Sie kann einen Nasskern ausbilden. Wie alle Rosskastanien ist die Gewöhnliche Rosskastanie ein Flachwurzler, mit weitstreichendem, starkem Wurzelwerk. Die Triebe sind dick und bräunlichgrau mit auffallender, fünf- bis neunspuriger Blattnarbe.
Die Borke ist bei jungen Bäumen hellbraun bis braun und glatt, später wird sie manchmal etwas rötlich, und ältere Bäume haben eine graubraune, gefelderte Borke, deren grobrissige Platten sich aufbiegen und in Schuppen abblättern. Die fingerförmig zusammengesetzten Laubblätter sind sehr groß, oberseits sattgrün, kahl, schwach glänzend und unterseits hellgrün mit filzigen Adern. Der Blattstiel ist 10–18 cm lang und rinnig. Die einzelnen Fiederblätter, 5–7 an der Zahl, sind schmal verkehrt-eiförmig, 9 bis 18 cm lang und etwa 10 cm breit, am Ende fein zugespitzt, mit doppelt gesägtem Blattrand und an der Basis keilförmig verschmälert. Die Knospen sitzen gegenständig, mit einer auffallenden großen und dicken Endknospe, die eikegelig-spitz, mehrschuppig, glänzend und klebrig ist. Die Knospen erscheinen im Herbst.
Die Blütezeit reicht je nach Witterung von April/Mai bis in den Juni. Die Blüten sitzen zu vielen in aufrecht stehenden Thyrsen zusammen, die im Volksmund auch „Kerzen“ genannt werden. Die weißen, fünfzähligen Blüten haben, solange sie befruchtungsfähig sind, einen gelben Fleck. Nur in dieser Phase wird der zuckerreiche (bis zu 70 %) Nektar produziert. Wenn die Blüten bestäubt wurden, färbt sich der Fleck rot. Das zeigt den Bestäubern, dass in den Blüten mit rotem Fleck nichts mehr an Nektar und Blütenstaub zu holen ist. Je Staubblatt gibt es eine der höchsten bekannten Pollenkornzahlen: 26 000. Je Blütenstand sind es bis zu 42 Millionen.
Der Baum wird mit 10–15 Jahren mannbar. Es werden hellgrüne Kapselfrüchte mit einer dicken, lederigen, bestachelten Hülle gebildet, die im September/Oktober reifen. Die 5 bis 6,5 Zentimeter großen Kapselfrüchte enthalten meist einen, selten bis zu drei, 2 bis 4 Zentimeter große, nussbraune und glänzende, glatte Samen mit einem weißlichen Nabelfleck (Chalaza), die Kastanien, roh sind sie für den Menschen ungenießbar. Die Rosskastanie zählt zu den Pflanzen, die ihre reifen Früchte mittels der Schwerkraft zu Boden fallen lassen (Barochorie). Beim Aufprall auf den Boden platzen die Kapseln in der Regel auf und entlassen ihre großen Samen, die je nach Bodenlage noch einige Meter weiter rollen. Diese sehr seltene Ausbreitungsform der Diasporen wird auch als Schwerkraftwanderung bezeichnet. Die Früchte keimen im nächsten Frühjahr unterirdisch.
VERBREITUNG
Die Gewöhnliche Rosskastanie ist auf der Balkanhalbinsel beheimatet. Ihr Areal ist sehr zerklüftet und besteht aus Einzelvorkommen in den Mittelgebirgen Griechenlands, Albaniens und Nordmazedoniens. Die größten Bestände in Griechenland befinden sich in den Distrikten Phthiotis, Evrytania, Thessalien und Episus. Im restlichen Europa wurde die Rosskastanie ab 1576 von Konstantinopel (Istanbul) aus eingeführt.
In ihren Standortansprüchen ähnelt die Gewöhnliche Rosskastanie der Hainbuche (Carpinus betulus). Im natürlichen Areal wächst sie in Höhenlagen zwischen 900 und 1300 m, vor allem an schattigen und halbschattigen, frischen bis feuchten Standorten. Sie ist eine mesophytische und lichtbedürftige Art, gedeiht daher auch an sonnigen Standorten. Bezüglich Geologie und Boden ist sie indifferent, kommt jedoch vorwiegend auf tiefgründigen, frischen, basen- sowie stickstoffreichen Böden mit einem neutralen bis alkalischen pH-Wert vor.
KRANKHEITEN UND SCHÄDLINGE
Bei der Gewöhnlichen Rosskastanie sind folgende Krankheiten und Erreger von Bedeutung:
- Eine Rindenkrankheit, ausgelöst durch das Bakterium Pseudomonas syringae pv. aesculi, befällt Phloem und Kambium des Baumes. Symptome sind Rinden- und Kambiumnekrosen sowie Schleimfluss am Stamm (Verwechslungsgefahr mit Phytophthora). Während Jungbäume schnell abgetötet werden können, überleben ältere Exemplare in der Regel, sind jedoch durch die Schwächung anfällig für Weißfäuleerreger.
- Verschiedene Phytophthora-Arten wirken wurzelpathogen und bewirken besonders in Großbritannien Schäden am Wurzelsystem, Rindennekrosen und Schleimfluss am Stamm. Da Phytophthora begeißelte Zoosporen bildet, sind besonders Bäume auf nassen Standorten gefährdet.
- Guignardia aesculi ist der Erreger der Blattbräune, die in Mitteleuropa seit den 1950er Jahren auftritt. Sie löst vorzeitigen Blattfall aus. Nach der Pilzinfektion im Frühling treten im Juli/August erste Blattnekrosen auf, später rollen sich die Blätter ein.
Stammfäule wird vor allem durch Arten der Gattung Lackporlinge (Ganoderma) ausgelöst. - Unter den Insekten sind Vertreter der Gattungen Cerambyx, Anisandrus, Plagionotus und Phymatodes stammbewohnend, Vertreter der Acrometa, Operophthera und Alsophila sind blattfressend.
Wesentliche Bedeutung hat in den letzten Jahren die Rosskastanienminiermotte (Cameraria ohridella) erlangt, die in Europa erstmals 1984 beobachtet wurde und sich seit dem ersten Auftreten in Österreich 1989 mit rund 100 km pro Jahr ausbreitet. Durch den Befall der Blätter fallen diese bereits im August ab, wodurch die Bäume bei starkem Befall erheblich geschwächt werden. Man kann bei stark befallenen Kastanien einen Wiederaustrieb und eine erneute Blüte im August/September beobachten („Angstblüte“). Da auch die Rosskastanie nicht in Mitteleuropa heimisch ist, sind Rosskastanie und Miniermotte als Neobiota ein klassischer Studienfall der Invasionsbiologie.
Unter den abiotischen Faktoren ist für die Gewöhnliche Rosskastanie vor allem die Wirkung des winterlichen Auftausalzes von Bedeutung, das in der nächsten Vegetationsperiode zu Blattrandnekrosen und verfrühtem Blattfall führt.
NUTZUNG OHNE WIRTSCHAFTLICHE BEDEUTUNG
Die Gewöhnliche Rosskastanie ist ein beliebter Baum in Erholungsanlagen, als Schattenspender etwa in Biergärten und als Zierbaum. In vielen Ländern wird er auch als Straßenbaum angepflanzt. Ebenfalls als Ziergehölz verwendet wird die Kreuzung aus Gewöhnlicher und Roter Rosskastanie, die Fleischrote Rosskastanie (Aesculus × carnea).
Die Blüten bilden ausgiebig Nektar und Pollen und sind damit eine gute Bienentrachtpflanze. Die Samen werden auch zur Winterfütterung von Rothirschen, Rehen und anderen Schalenwildarten verwendet.
Kinder basteln aus den Samen Kastanienmännchen.
WISSENSCHAFTLICHER NAME:
AESCULUS HIPPOCASTANUM ( L. )
= GEWÖHNLICHE KASTANIE
= Horse chestnut oder conker tree
= Witte paardenkastanje
SYSTEMATIK:
Klasse: Malviden ( EUROSIDEN II )
Ordnung: Seifenbaumartige ( Sapindales )
Familie: Seifenbaumgewächse ( Sapindaceae )
Unterfamilie: Rosskastaniengewächse ( Hippocastanoideae )
Gattung: Rossastanien ( Aesculus )
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