DER TAG AN DEM CHAMPAGNER IM WASSER WAR…
(Oberhausen). Im vergangenen Jahr entdeckte ich bei meiner üblichen winterlichen Inspektionsrunde in meinem Fotorevier an einem ins Wasser ragenden Baumstamm auf der gegenüberliegenden Seite des Altarms eine Wasserbewegung. „Na klar, wie immer der Haubentaucher auf Nahrungssuche.“ denke ich mir. Doch als der vermeintliche Haubentaucher von seiner Unterwasserjagd emporschoss, stockte mir der Atem.
Nein das ist nicht mein Fotomodel aus wärmeren Tagen, sondern ein Zwergtaucher. Wie so oft in so einer Situation war das Objektiv für diese Entfernung nicht gerade optimal, denn die Tagesaufgabe an mich selbst lautete Landschaftsfotos. Also schnell den Rucksack absetzen, das Objektiv mit dem längeren Atem rauskramen und einen schnellen Objektivwechsel vornehmen. Was soll ich weiter schreiben? Die Kamera ist schussfertig auf dem Stativ befestigt und der Zwergtaucher ,nun ja, taucht und ward nicht mehr gesehen. Es folgten viele, viele erfolglose Stunden und Tage, doch es war meine erste und letzte Begegnung im vergangenen Jahr.
Derselbe Ort, dieselbe Zeit nur ein Jahr später. Wieder am selben Gehölz eine Wasserbewegung und ja! Er ist wieder da, mein Zwergtaucher. Leider taucht er immer im Astgewirr ab und auf, so dass kein brauchbares Foto zustande kommt. Höre ich hinter mir im Hauptarm des Flusses ein plätschern und sehe noch Kreise im Wasser. „Was das wohl war?“
Überlege ich und werfe einen kurzen Blick zu meinem Zwergtaucher im Astgewirr, der darin gerade Siesta macht und somit seine Chance als Motiv vergab. Also richtet sich mein Augenmerk auf den Verursacher der Kreise hinter mir und ich traue meinen Augen kaum: ein weiterer Zwergtaucher! Keine fünf Meter von mir entfernt! Beim nächsten Tauchgang drehe ich in Windeseile mein Equipment um 180 Grad und hoffe, daß der oder die Kleine beim Auftauchen nicht gleich vor Schreck tot umfällt und kieloben den Fluss hinuntertreibt. Aber nein, dieser Zwergtaucher ist von der Sorte: Hei, ich bin heute dein unerschrockenes Fotomodel. Und tatsächlich ließ er sich über drei (!) Stunden von mir verfolgen. Die besondere Herausforderung beim Fotografieren war, daß die Sonne genau von der falschen mir abgewandten Seite den Zwergtaucher beleuchtete. Also wartete ich, daß er wenigstens seinen Kopf drehte, um dann schön angestrahlt zu werden.
Ab und zu tat er mir diesen Gefallen. Nur das fotografische Ergebnis sah nicht umwerfend aus. „Wenn er nur etwas weiter schwimmt kommt er an eine Flussbiegung“, plane ich,“ und dann könnte er besser beleuchtet werden.“ Es kam wie man es nicht hätte besser planen können, denn heute war Champagner im Wasser: Die Biegung kam, der Zwergtaucher drehte sich seitlich zur Sonne und der Fotograf drückte – mit einem Grinsen bis über beide Ohren – ab.
Nachtrag: In den beschriebenen drei Stunden schwamm der Zwergtaucher ständig flussaufwärts entgegen der starken Strömung! Seine vielen Tauchgänge in dieser Zeit waren nur zweimal erfolgreich! Was für eine Leistung!
Quelle: Holger Hackenjos
Photo: © Holger Hackenjos