ARD-MEDIATHEK: TV-Beitrag – Wildes Ruhrgebiet
(Ruhrgebiet). Wer das besondere TV-Highlight in der letzten Woche im WDR-Abendprogramm verpasst hat, hat noch die Möglichkeit sich die Sendung über die Fauna und Flora des Ruhrgebietes in der ARD-Mediathek online anzuschauen. Der Film von Christian Baumeister zeigt eindrucksvoll, welche Naturschätze auf den Industriebrachen der Region zu finden sind bzw. sich das Terrain erobert haben. Kein anderer als Dietmar Bär, gebürtiger Dortmunder und bekannt als Kommissar Freddy Schenk aus dem Kölner Tatort führt als Sprecher durch die Sendung.
Unsere Redaktion Naturschutz.ruhr hat ein paar Fotoeindrücke von den Dreharbeiten als Bildgalerie hier eingestellt. Zur Bildergalerie geht es, wenn man das obige Bild doppelt anklickt. Es öffnet sich dann ein Popup-Fenster – unten links ist dann die Menüsteuerung (Diashow oder Einzelbildwiedergabe) zu finden. Die entsprechenden Bildunterschriften zu den Fotos sind weiter unten im Meldungstext zu finden.
Inhalt der Sendung:
Auf den ersten Blick wirkt die Landschaft an der Ruhr wie ein kleines Paradies. Doch nirgendwo sonst in Deutschland hat der Mensch die Natur so gründlich seinen Interessen geopfert. Tiere führten über Jahrhunderte ein Nischendasein. Doch mit dem Rückgang der Industrie begann ein neues Kapitel im Ruhrgebiet: Pflanzen und Tiere erobern Stück für Stück zurück, was für immer verloren schien. Mehr noch: Industrieruinen und Brachen bieten anderswo vertriebenen eine neue Heimat und locken sogar Raritäten an, die man sonst kaum noch findet.
Abenteuer Erde – Wildes Ruhrgebiet
Das Ruhrgebiet ist der größte Ballungsraum Mitteleuropas. Zwar bedeckt es nur eine Fläche, die gerade mal doppelt so groß ist wie Luxemburg, beherbergt aber 10mal so viele Menschen. Fünf Millionen leben in 15 Städten, Metropole grenzt an Metropole. Auch heute noch verdunkeln qualmende Schlote den Himmel. Doch es werden weniger. Stillgelegte Hüttenwerke ziehen einen Vogel magisch an, der aufgrund von Lebensraumverlust und DDT Vergiftung in Deutschland Ende des letzten Jahrhunderts fast ausgestorben war: den Wanderfalken. Nun brüten sie wieder, dank zahlreicher von Naturschützern angebrachter Nisthilfen. Die Vögel interessiert nicht, dass Industrieruinen ringsum die Landschaft verschandeln – wichtig ist ihnen allein ein Nistplatz, den kein Raubfeind einnehmen kann, und ausreichend Beute. Oft zum Kummer der alteingesessenen Brieftaubenzüchter, die so manchen ihrer Lieblinge an den Neuankömmling verlieren.
Das Stehen lassen der Industrieruinen ist im Ruhrgebiet nach dem Wirtschaftswandel oft die billigste Option. Seitdem die Industrie stirbt, erobert die Natur weitgehend ungestört verlorenes Terrain zurück. Birken wachsen in ehemaligen Möllerbunkern, der Fuchs zieht seine Jungen in einer alten Fabrikhalle groß, und der Steinmarder jagt Mäuse in einer stillgelegten Gießerei. Als einstiger Felsbewohner hat der im Lauf der Evolution gelernt, die Strukturen des Menschen für sich zu nutzen. Selbst dem Igel, der heutzutage in den aufgeräumten Vorstadtgärten kaum noch Unterschlupf findet, bietet ausgedienter Bergbauschrott ideale Plätze zum Verstecken und zur Jungenaufzucht. Abraumhalden beraubten einst, als grauschwarze Hügel, die Landschaft jeglicher Lieblichkeit. Nun sind die immer grüner werdenden Tafelberge beliebte Ausflugsziele in der von Natur aus eher flachen Region.
Erstaunlicherweise zieht der harte, verdichtete Boden auch seltene Tiere an. In lauen Frühlingsnächten erklingt auf Halden und Brachen ein lautstarkes Konzert: Denn Kreuzkröten bevorzugen Laichgewässer die so kurzlebig sind, dass sich keine gefräßigen Fische ansiedeln können. Nach Regenfällen bieten ihnen die große Pfützen auf den zahlreichen Halden und Brachen genau das. Da sie nicht versickern sind sie gerade so langlebig, dass die Kaulquappen sich entwickeln können. Hierzu brauchen sie nur drei Wochen – ein Rekord in der Amphibienwelt. Auch die Ödlandschrecke, eine weitere Seltenheit, findet auf den heißen Schotterflächen ein ideales Terrain für ihre Balz. Ödland ist heutzutage so selten, dass auch die Insekten stark zurückgegangen sind.
Während sich die Ödlandraritäten oft im Verborgenen verstecken, sorgen die größten Tiere des Ruhrgebiets jeden Herbst für lautes Spektakel. Die einst zur Deckung des Holzbedarfs im Bergbau angepflanzten Wälder der Üfter Mark bleiben heute weitgehend sich selbst überlassen. Sie bieten die ideale Bühne für die Brunft der Rothirsche. Nirgendwo sonst in Nordrhein-Westfalen lässt sich das eindrucksvolle Ereignis besser beobachten.
Dies sind nur einige Beispiele von vielen, mit denen Christian Baumeister in einfühlsamen Bildern den faszinierenden Wandel einer Landschaft portraitiert: Jahrzehntelang wurde im Ruhgebiet das unterste nach oben gekehrt, die Luft verpestet, das Land geschunden. Die Zeche für den Raubbau bezahlte die Natur.
Doch dank ihrer unglaublichen Regenerationskraft gelingt es ihr, selbst aus Ruinen das Beste zu machen. Das Ruhrgebiet ist die Bühne einer unglaublichen Verwandlung: vom Kohlenpott zur Heimat für tierische Spezialisten und Anpassungskünstler. Wer den Wandel zu nutzen versteht, für den ist das Land an der Ruhr noch heute ein ideales Revier.
Redaktion: Gabriele Conze
Regie: Christian Baumeister
Kamera: Christian Baumeister, Michael Riegler, Philipp Klein
Schnitt: Stefan Reiss
Musik: Oliver Heuss
Sprecher: Dietmar Bär
Eine Produktion der Light & Shadow GmbH,
in Zusammenarbeit mit NDR Naturfilm DocLights GmbH
im Auftrag des WDR
© 2016
Bildunterschriften:
DREHARBEITEN 1: Christian Baumeister an einem Winter-Drehtag im Ruhrgebiet. Vor den Kraftwerkstürmen im Hintergrund rasten Blässgänse. Sie profitieren von der Abwärme, die dafür sorgt, dass die begehrte Wintersaat weitgehend schneefrei bleibt. Christian Baumeister zeigt den Kontrast zwischen Industrie und Natur auf.
BILD 1: Der Landschaftspark Duisburg Nord. Im Zeitraum von 1990 bis 1999 entstand rund um das alte Hüttenwerk Duisburg Meiderich ein einmaliger Natur-, Kultur- und Freizeitpark. Eine Landschaft im Wandel von einer Industrieregion zur Industrienatur.
BILD 2: Die Ruhr. Auf 120 Kilometer Länge durchfließt sie das Gebiet und gab ihm ihren Namen. Das Ruhrtal hat eine wichtige Funktion als Erholungsraum. Hier sind die Ufer weitgehend unbebaut geblieben und von Wiesen und Wäldern geprägt.
BILD 3: Impressionen aus dem Landschaftspark Duisburg Nord. Nach Stilllegung des Hüttenwerks wird hier alles auf den Kopf gestellt und die Natur erobert sich verloren geglaubtes Terrain zurück.
BILD 4: Die Halde Rheinelbe in Gelsenkirchen. Im Ruhrgebiet ragen aus dem einstigen Flachland heute über 150 künstliche Tafelberge bis zu 100 Meter hoch. Einst ein Nebenprodukt aus dem Bergbau, sind die meisten Halden heute stillgelegt und beliebte Ausflugsziele.
BILD 5: Morgenstimmung im Landschaftspark Duisburg Nord. Einer der vielen Orte im Ruhrgebiet, an denen das sterbende Industrierevier zu neuem Leben erwacht.
BILD 6: Im Ruhrgebiet führte die Natur über viele Jahre ein Nischendasein. Heute erobern sich Pflanzen und Tiere ihren Lebensraum zurück.
BILD 7: Landschaftspark Duisburg Nord bei Nacht. Als weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt Duisburg leuchtet nachts die Lichtinstallation von Jonathan Park. Hier zu sehen das „Krokodil“.
BILD 8: Landschaftspark Duisburg Nord bei Nacht. Seit 1996 taucht eine Lichtinszenierung des britischen Künstlers Jonathan Park das alte Hüttenwerk in ein faszinierendes Meer von Licht und Farbe.
BILD 9: Impressionen aus dem Landschaftspark Duisburg Nord. Die Natur erobert Stück für Stück zurück, was für immer verloren schien, und macht auch vor Stahlgestängen keinen Halt.
BILD 10: Eine alte, im Verfall befindliche Gießerei. Viele Gebäude bleiben nach der Stilllegung sich selbst überlassen und die Natur erhält Einzug.
BILD 11: Wolken verdunkeln den Himmel über dem Landschaftspark Duisburg Nord. Stahlungetüme erinnern an eine vergangene Ära.
BILD 12: Ein Rotfuchs im Landschaftspark Duisburg Nord. In dem ehemaligen Hüttenwerk finden sich unzählige Schlupfwinkel für den heimlichen Jäger.
BILD 13: Ein Rotfuchs vor beleuchteter Industriekulisse im Landschaftspark Duisburg Nord. Mitten in den Industrieruinen werden Füchse von keinem Jäger verfolgt.
BILD 14: Der Rotfuchs ist, wie kaum ein anderes Tier, dafür bekannt, Neuland zu erobern.
BILD 15: Ein junger Flussregenpfeifer im Ruhrgebiet. Offene, brach liegende Flächen bieten den eigentlich an Flussufern lebenden Vögeln einen Brutplatz aus zweiter Hand.
BILD 16: Ein Igel im Ruhrgebiet. Während Igel in sauber aufgeräumten Vorstadtparzellen mit kahlgeschorenem Rasen nur schwer überleben können, bieten Industriebrachen ihnen viele Verstecke.
BILD 17: Ein Wanderfalke im Ruhrgebiet. Der Wanderfalke gehört zu den eindeutigen Gewinnern des Strukturwandels. Mit großem Einsatz ist es Naturschützern gelungen, dass im Ruhrgebiet heute mehr der eleganten Flieger leben als irgendwo sonst in Deutschland.
BILD 18: Eine Kreuzkröte im Ruhrgebiet. Auf den Halden zwischen Rhein und Ruhr leben heute mehr der bedrohten Kröten als irgendwo sonst in Nordrhein-Westfalen. Ihre Kaulquappen entwickeln sich in nur kurzfristig vorhandenen Gewässern ohne Fressfeinde.
BILD 19: Eine Blauflügelige Sandschrecke im Ruhrgebiet. Die wärmeliebende Art ist eine der ersten, die die noch vegetationsarmen Brachen und Halden des Ruhrgebiets besiedelt.
Quelle: WDR-Programmredaktion
Photos: © Light & Shadow GmbH